Schützenswerte Aussicht?
onlineurteile.de - Ein Mehrfamilienhaus am Forggensee, aufgeteilt in Eigentumswohnungen, liegt besonders idyllisch: Von Balkonen und Fenstern aus haben die Bewohner freie Sicht auf den See, die Berge "drum herum" und Schloss Neuschwanstein, das über Nacht beleuchtet wird. Groß war ihr Schrecken, als sie von den Bauplänen der Nachbarn erfuhren.
Diese beabsichtigten, ein weiteres Mehrfamilienhaus zu bauen; es wird den Wohnungseigentümern die Sicht auf Neuschwanstein rauben, eines von König Ludwigs II. Märchenschlössern. Die Eigentümer wehrten sich gegen den Bebauungsplan und klagten obendrein gegen die Baugenehmigung, die das Landratsamt Ostallgäu den Nachbarn erteilt hatte: Der einzigartige Fernblick müsse geschützt werden, argumentierten sie.
Über den Bebauungsplan ist noch nicht entschieden, doch die Klage gegen die Baugenehmigung wurde vom Verwaltungsgericht Augsburg abgewiesen (Au 4 S 1084/09). Das öffentliche Baurecht kenne keine Garantie für eine "schöne Aussicht"; abgesehen von Ausnahmefällen, wenn ein Bauprojekt einen besonders wertvollen Ausblick wesentlich beeinträchtigen würde und wenn es für den Bauherrn zumutbar sei, darauf Rücksicht zu nehmen.
Im konkreten Fall gehe jedoch durch den Neubau der besonders reizvolle Ausblick auf den See im Zusammenspiel mit dem Bergpanorama nicht verloren, so die Richter. Ein Großteil der Ammergauer und Allgäuer Alpen sei weiterhin zu sehen. Das einige Kilometer entfernte Schloss Neuschwanstein sei berühmt, aber die Aussicht darauf nicht geschützt - zumal es eigentlich nur für optische Abwechslung sorge, nicht die Schönheit des Fernblicks ausmache.
Das Bauvorhaben der Nachbarn sei mit vier Wohneinheiten relativ klein und werde die Wohnanlage weder "einmauern", noch optisch erdrücken. Daher sei die Baugenehmigung rechtens. Die Wohnungseigentümer müssten den Bau hinnehmen.