Schule abgebrochen, Ausbildung gewechselt
onlineurteile.de - Erst mit 23 Jahren hatte sich die junge Frau für einen Berufsweg entschieden, sie begann 2006 eine Ausbildung zur Logopädin an einer Privatschule. Das kostete 300 Euro Schulgeld im Monat. Da man der Schülerin BAFöG unter Hinweis auf das Einkommen ihres Vaters verweigerte, verklagte sie ihren Vater auf Ausbildungsunterhalt. Zunächst vergeblich, denn der Amtsrichter hielt ihr vor, ihre Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben zu haben.
Erst durchs Abitur gefallen, dann das Gymnasium abgebrochen, dann eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin begonnen, umgezogen und die Ausbildung abgebrochen ... eine lange Liste des Versagens, fand der Amtsrichter. Da könne man dem Vater nicht zumuten, eine weitere Ausbildung zu finanzieren. Das Oberlandesgericht Jena hatte für die Spätstarterin mehr Verständnis und verurteilte den Vater zur Zahlung (1 UF 245/08).
Jedem jungen Menschen müsse man eine Orientierungsphase zubilligen, um sich für einen Beruf zu entscheiden. Unter besonderen Umständen dauere sie eben länger; das sei der künftigen Logopädin nicht vorzuwerfen. Die junge Frau habe nach dem Schulabbruch lange nach einem Ausbildungsplatz als Zahnarzthelferin gesucht. In dieser Zeit habe sie ihren Lebensunterhalt mit Minijobs verdient und vom Vater kein Geld verlangt. Kaum habe die Tochter eine Stelle gefunden, habe sie ein Motorradunfall aus der Bahn geworfen, bei dem sie schwer verletzt wurde. Sie sei danach ein Jahr arbeitsunfähig gewesen.
Anschließend habe die junge Frau in einer Abendschule die Realschulreife erworben und nebenbei gearbeitet. Wieder habe sie lange vergeblich nach einem Ausbildungsplatz gesucht und deshalb schließlich den Beruf der Zahnarzthelferin aufgegeben. Das rechtfertige es nicht, ihr den Ausbildungsunterhalt zu verweigern. Der Wechsel zur Logopäden-Schule sei sachlich begründet und für den Vater wirtschaftlich zumutbar. Zudem habe die Tochter den Realschulabschluss mit sehr guten Noten geschafft. Also könne man erwarten, dass sie auch die Fachschulausbildung als Logopädin erfolgreich beenden werde.