Schwerhöriger scheitert (fast) an der Bürokratie

Krankenkasse darf nicht auf Festbetrag pochen: Hörverlust ist angemessen auszugleichen

onlineurteile.de - Der 1952 geborene Montagearbeiter leidet unter angeborener Schwerhörigkeit. Beim Integrationsamt, das die Eingliederung behinderter Menschen ins Arbeitsleben fördert, beantragte er einen Kostenzuschuss für neue Hörgeräte: Die alten seien verschlissen, eine Reparatur nicht lohnend. Das Integrationsamt bearbeitete den Antrag nicht, sondern leitete ihn nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter.

Die Rentenversicherung lehnte die Kostenübernahme ab: Um seinen Beruf als Montagearbeiter auszuüben, brauche der Schwerhörige keine besonderen Hörgeräte. Trotz dieses "Korbs" wandte sich der Mann an einen Hörgeräteakustiker und ließ sich Hörgeräte anpassen. Die Krankenkasse übernahm einen Festbetrag, 2.840 Euro musste er erst einmal selbst zahlen.

Das Anliegen des Behinderten ging also fast im Kompetenzwirrwarr der verschiedenen Instanzen unter, trotzdem nahm die Sache ein gutes Ende. Seine Klage gegen den negativen Bescheid der Rentenversicherung hatte beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Erfolg — allerdings anders als gedacht (L 10 R 579/10).

Tatsächlich sei die Rentenversicherung nicht für die Hörgeräte zuständig, so das LSG. Das wäre nur der Fall, wenn seine berufliche Tätigkeit ans Hörvermögen besondere Anforderungen stellte, was aber nicht zutreffe. Zuständig sei eigentlich die Krankenkasse, die den Versicherten aber nicht auf Geräte zum Festbetrag verweisen dürfe.

Diese taugten nicht dafür, die Hörstörung des Montagearbeiters angemessen auszugleichen. Unabhängig vom Beruf brauchten Hörbehinderte Geräte, die — soweit eben möglich — auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei Umgebungsgeräuschen erlaubten. Mit den neuen Hörgeräten verstehe der Schwerhörige Sprache um 20 Prozent besser.

Obwohl im Prinzip die Krankenkasse zur Kostenübernahme verpflichtet wäre, müsse im konkreten Fall das Integrationsamt die Kosten der Hörgeräte tragen. Der Behinderte habe als ersten Träger von Sozialleistungen das Integrationsamt um Kostenübernahme gebeten. Der zuerst in Anspruch genommene Träger müsse so einen Antrag prüfen und — wenn er zu dem Schluss komme, nicht zuständig zu sein — den Antrag innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten. Diese Frist sei hier verpasst worden.