Selbstgespräche als Beweis?
onlineurteile.de - Einem Mann wurde vorgeworfen, gemeinsam mit Schwester und Schwager seine geschiedene Ehefrau ermordet zu haben. So wollte er erreichen, dass sein kleiner Sohn bei der Schwester aufwachsen konnte, die sehr an dem Kleinen hing. Die Mutter hatte ihr den Kontakt zum Kind verweigert. Viele Indizien deuteten darauf hin, dass die Angehörigen die Tat begangen hatten. Doch die Polizei fand keine Leiche, sie blieb verschwunden.
Um den Ehemann des Mordes zu überführen, hefteten sich die Strafverfolger unerkannt an seine Fersen: Sie versteckten Wanzen in seinem Auto und bekamen so einige Selbstgespräche zu hören. Folgendes Gestammel wertete das Landgericht Köln als eine Art Geständnis: "... die L ist schon lange tot, die wird auch nicht wieder ...". "I kill her oh yes, oh yes and this is my problem" "nö I, wir haben sie tot gemacht ...".
Das Landgericht verurteilte Ehemann, Schwester und Schwager wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Die Revision der Angeklagten hatte beim Bundesgerichtshof Erfolg: Die heimlich abgehörten und aufgezeichneten Selbstgespräche hätte das Landgericht nicht als Beweis für deren Schuld bewerten dürfen, entschieden die Bundesrichter (2 StR 509/10).
Prinzipiell gehörten Selbstgespräche zum Kernbereich der Privatsphäre, zumindest wenn jemand allein in einem Bereich wie Wohnung oder Auto sozusagen "laut denke". "Gedanken sind frei", das gelte auch für ein — in nichtöffentlichem Raum geführtes — Selbstgespräch. Zumindest in ihren Rückzugsräumen müssten sich Menschen mit dem eigenen Ich befassen können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass staatliche Stellen dies überwachten.
Anders als Gespräche mit anderen Personen seien solche Äußerungen oft unverständlich und manchmal auch durch "unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte" gekennzeichnet. So erlangte Informationen dürften im Strafverfahren nicht verwertet werden (juristisch: Beweisverbot). Der Bundesgerichtshof hob die Urteile gegen die Angeklagten auf und verwies die Sache zurück. Nun muss sich eine andere Kammer des Landgerichts mit dem Mordfall befassen.