Seniorin läuft weg
onlineurteile.de - Die alte Dame war 78 Jahre alt, als sie in das Heim kam. Ein Gutachter stellte Altersgebrechlichkeit und eine leichte Demenz fest. Ein Jahr später lief die Frau zum ersten Mal weg: Sie wollte ihre Schwester in einem anderen Heim besuchen. Danach machte sie ab und zu einen Spaziergang zu ihrer früheren Wohnung, ohne vorher Bescheid zu geben. Eines Tages verschwand sie wieder: Gegen 19.30 Uhr war die Seniorin ins Bett gebracht worden. Als eine Pflegerin eine Stunde später nach ihr sah, war das Zimmer leer. Vergeblich suchte man im Heim nach der alten Dame, dann wurde die Polizei eingeschaltet. Die Beamten fanden die Frau am nächsten Tag auf einem Spielplatz, wo sie gestürzt war und sich das Bein gebrochen hatte. Ihre Krankenversicherung forderte daraufhin vom Heim Schadenersatz für die Behandlungskosten, weil das Pflegepersonal die alte Dame unzulänglich überwacht habe.
Das Oberlandesgericht München entschied, dass das Heim für die Sturzfolgen nicht haftet (27 U 237/03). Zwar sei belegt, dass die desorientierte Seniorin öfters eigenmächtig Spaziergänge gemacht habe. Sie ständig zu überwachen, sei trotzdem - aus finanziellen Gründen - unmöglich. Das Personal habe an dem fraglichen Tag angenommen, die Frau befinde sich bereits im Bett. Deswegen könne man den Betreuern keinen Vorwurf machen.
Bettgitter anzubringen, schränke die Grundrechte der Patienten ein und müsse erst vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden. Außerdem hätten im konkreten Fall weder der Gutachter noch die Pflegekasse einen Anlass gesehen, die Frau in einem Pflegeheim mit geschlossener Abteilung unterzubringen. Die Ein- und Ausgänge im Heim schon ab 19.30 Uhr zu schließen, wie es die Versicherung fordere, würde die anderen Heimbewohner und deren Besucher zu sehr einschränken.