Seuchenschutz hat Vorrang

Kennzeichnungspflicht für Schafe belastet Landwirte, ist aber zur Herkunftskontrolle notwendig

onlineurteile.de - Nach dem schweren Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2001 erließ die Europäische Union 2004 eine für alle Mitgliedsstaaten gültige Verordnung. Darin verpflichtete sie Landwirte und Tierzüchter, bei Schafen und Ziegen zusätzlich zur normalen Ohrmarke ein elektronisches Kennzeichen anzubringen, z.B. am Ohr oder an den Fesseln.

Einem Landwirt aus Baden-Württemberg, der 450 Mutterschafe hielt, stieß das übel auf: Die Verordnung umzusetzen, bedeute für ihn einen riesigen Aufwand, kritisierte er, sie greife unverhältnismäßig in seine unternehmerische Freiheit ein.

Der Schafzüchter erhob Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart, das die Sache alsbald dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorlegte (C-101/12). Eine solche Vorlage wird notwendig, wenn die Interpretation Europäischen Rechts unklar, für eine Entscheidung der nationalen Justiz aber wesentlich ist.

Der EuGH räumte dem allgemeinen Interesse am Schutz vor der Maul- und Klauenseuche absoluten Vorrang ein. Man habe 2001 mehrere Millionen Tiere systematisch notschlachten müssen — ein riesiger Verlust, der wesentlich kleiner ausgefallen wäre, hätte man damals schon Abstammung, Transportwege und Aufenthaltsorte der Tiere besser zurück-verfolgen können.

Daher sei die zusätzliche Markierung verhältnismäßig und notwendig, zumal inzwischen die Grenzkontrollen weggefallen seien. Mit dem Chip ließen sich Herkunft und Transport jedes einzelnen Tieres besser nachvollziehen, die Datenübertragung sei zuverlässiger und viel schneller. So könne man die gefährliche Tierkrankheit einfacher und effizienter bekämpfen und früher vorbeugende Maßnahmen treffen.

Finanziell belaste die Kennzeichenpflicht die Landwirte nicht über Gebühr, nicht einmal Züchter mit kleinem Tierbestand. Denn betroffene Landwirte könnten von den nationalen Regierungen Zuschüsse aus EU-Fördermitteln erhalten, um die Zusatzkosten leichter zu stemmen.

Schweine- oder Rinderhalter seien von dieser Regelung nicht betroffen. Das verstoße jedoch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, so der EuGH. Denn bei diesen Tieren sei die Gefahr einer Maul- und Klauenseuche geringer, die 2001 eine europaweite Krise im Schaf- und Ziegenbestand ausgelöst habe. Rinder und Schweine würden nicht so häufig transportiert und nicht in so großen Partien versteigert. Zudem ändere sich bei Schafen die Zusammensetzung einer Herde häufiger, was das Ansteckungsrisiko erhöhe.