Sicherheitsgurt nicht angelegt
onlineurteile.de - Ein Unglück kommt selten allein, sagt der Volksmund. Im konkreten Fall traf das zum Pech für Autofahrerin X tatsächlich zu: Sie hatte nachts auf der Autobahn aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihren Wagen verloren. Er geriet ins Schleudern, stieß gegen die Mittelplanke und blieb dann unbeleuchtet auf der linken Fahrspur stehen. Kaum hatte die Frau den Sicherheitsgurt geöffnet, um auszusteigen, krachte ein anderes Auto gegen ihr Fahrzeug.
Der Wagen von Autofahrer Y prallte mit einer Geschwindigkeit von etwa 130 km/h auf. Dabei wurde Frau X schwer verletzt. Sie forderte von Y und dessen Haftpflichtversicherung Schadenersatz. Während das Landgericht ihr ein Mitverschulden von einem Drittel zurechnete, erhöhte das Oberlandesgericht diese Quote, weil Frau X beim zweiten Unfall nicht angeschnallt war.
Dagegen legte sie mit Erfolg Revision ein: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf (VI ZR 10/11). Autofahrer Y und sein Versicherer müssten 60 Prozent des Schadens durch den zweiten Unfall ersetzen, entschieden die Bundesrichter. Im Prinzip müssten zwar während der Fahrt Sicherheitsgurte angelegt sein. Wenn jemand nicht angeschnallt sei und infolgedessen bei einem Zusammenstoß schwerer verletzt werde, als es mit Gurt geschehen wäre, sei sein Anspruch auf Schadenersatz dem Mitverschulden entsprechend zu reduzieren.
Aber das gelte eben nur bei einem Unfall "während der Fahrt". Der Zusammenstoß mit Y habe jedoch stattgefunden, als das Auto von Frau X nach dem ersten Unfall an der Leitplanke gelandet war. Damit sei ihre Fahrt beendet gewesen. In dieser Lage habe die Autofahrerin den Sicherheitsgurt lösen dürfen, um ihren Wagen zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Mehr noch: Sie sei sogar dazu verpflichtet, auszusteigen und die Unfallstelle zu sichern. Also könne man es ihr nicht vorwerfen, beim zweiten Unfall keinen Gurt getragen zu haben.