Sozialhilfe muss Kosten einer Beschneidung übernehmen
onlineurteile.de - Neben der regelmäßigen Unterstützung zahlt die Sozialhilfe an hilfsbedürftige Menschen bei besonderem Bedarf auch "einmalige Leistungen". Darunter fallen auch kleine Zuschüsse für wichtige Familienfeiern wie etwa die Taufe oder Kommunion eines Kindes. Bei einer muslimischen Familie wollte der Sozialhilfeträger davon allerdings nichts wissen: Als die Familie zwei Söhne durch einen Arzt medizinisch fachgerecht beschneiden lassen wollte, lehnte die Behörde den Antrag auf Kostenübernahme ab. Dies sei eine medizinische Behandlung, hieß es, dafür sei nicht der Sozialhilfeträger zuständig.
Beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg setzten sich die Sozialhilfeempfänger durch (4 ME 336/02). Die Antragsteller seien wie alle Mitglieder ihrer Familie muslimischen Glaubens. Bei Muslimen gelte die Beschneidung nicht als medizinischer Eingriff. Im islamischen Kulturkreis habe sie vielmehr religiöse und gesellschaftliche Bedeutung, erklärten die Richter, vergleichbar der Taufe im christlichen Kulturkreis. Wie die Taufe sei daher auch die Beschneidung und die damit verbundene Familienfeier als "besonderer Anlass" im Sinne des Sozialhilfegesetzes zu werten, für den eine "einmalige Leistung" gewährt werde.