Spritzenabszess nach ärztlicher Behandlung

Orthopäden haften dafür wegen Hygienemängeln in ihrer Praxis

onlineurteile.de - Weil sie einen "steifen Hals" hatte, war die Frau im Sommer 1999 zum Orthopäden gegangen. Von einem Vertreter des Praxisinhabers bekam sie eine Spritze in den Nacken, ein paar Tage später eine zweite. Das half nichts, im Gegenteil: Starke Schmerzen, begleitet von Schüttelfrost und Schweißausbrüchen stellten sich ein. Bei der Patientin hatte sich - wie eine Blutuntersuchung ergab - ein so genannter Spritzenabszess gebildet. Die bei der Injektion anwesende Arzthelferin war vom Bakterium "Staphylokokkus aureus" infiziert und hatte Keime auf die Frau übertragen.

Die Leiterin eines Catering-Betriebs musste mehrmals ins Krankenhaus und gab später wegen anhaltender Kopf- und Nackenschmerzen sowie Schlafstörungen ihren Beruf auf. Sie verklagte die Orthopäden auf Zahlung von 25.000 Euro Schmerzensgeld. Begründung: Im Sommer 1999 habe es mehrere Infektionen in der Praxis gegeben, das Gesundheitsamt habe danach Hygienemängel in der Praxis festgestellt. Die seien der Grund für ihre Leiden.

Das Oberlandesgericht Koblenz sprach der Patientin die geforderte Summe zu (5 U 1711/05). Die Infektion der Arzthelferin sei für die Orthopäden wohl nicht sofort erkennbar gewesen, räumten die Richter ein. Normalerweise zählten Keimübertragungen sogar zum Krankheitsrisiko der Patienten, weil absolute Keimfreiheit bei Ärzten und ihrem Personal nicht zu erreichen sei. Anders liege der Fall aber, wenn das "Hygienemanagement" in einer Praxis unzulänglich sei.

Und das treffe hier zu. Laut Untersuchungsbericht des Gesundheitsamts hätten klare Hygieneanweisungen gefehlt, seien Desinfektionsmittel schlampig umgefüllt worden, Alkohole verkeimt gewesen, Flaschen mit Injektionssubstanzen zu oft und zu lange verwendet worden, hygienesensible Arbeitsflächen zu selten gereinigt und auch die Hände vor dem Spritzen nicht immer desinfiziert worden. Hätte man in der Praxis alle Hygieneanforderungen sorgfältig eingehalten, wäre es wahrscheinlich nicht zur Kontamination der Spritzen gekommen. Daher müssten sich die Ärzte die Infektion als fahrlässig verursacht zurechnen lassen und für die Folgen einstehen. (Die Mediziner legten gegen das Urteil Revision ein.)