Steuersachbearbeiter kündigt und geht zur Konkurrenz
onlineurteile.de - Viele Jahre hatte der Steuersachbearbeiter für einen Lohnsteuerhilfeverein gearbeitet. Im November 1998 kündigte er sein Arbeitsverhältnis. Von den Mitgliedern und Kunden, die er betreut hatte, verabschiedete sich der Angestellte vor Weihnachten mit einem Rundschreiben: "... möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich zum 31. Dezember 1998 meine Tätigkeit bei ... beenden werde. Ich bedanke mich für das bisherige, langjährige entgegengebrachte Vertrauen ...". Er benutzte Briefpapier seines Arbeitgebers und gab seine Privatanschrift und seine private Telefonnummer an.
Im nächsten Jahr arbeitete der Steuersachberater wieder: für einen anderen Lohnsteuerhilfeverein am gleichen Ort. Viele seiner früheren Kunden wechselten mit ihm und traten beim Verein Nr. 1 aus. Der schätzte den Schaden (= Verlust an Mitgliedsbeiträgen) auf mindestens 50.000 DM und verklagte den Ex-Angestellten sowie dessen neuen Arbeitgeber auf Schadenersatz. Vor Gericht ging es um die Frage, ob das Rundschreiben als wettbewerbswidriges Abwerben von Kunden anzusehen ist. Nein, meinte der Angestellte, denn er habe nicht dazu aufgefordert, die Mitgliedschaft beim Verein Nr. 1 zu beenden.
Der Bundesgerichtshof betonte zwar, dass das Abwerben von Kunden im Prinzip zum freien Wettbewerb gehört (I ZR 303/01). Hier habe der Angestellte aber Adressenmaterial seines Arbeitgebers benutzt. Diesem gegenüber müsse er sich loyal verhalten. Wenn er als Berater, der zu den Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut habe, diese indirekt auf den Wechsel aufmerksam mache, sei dies wettbewerbswidrig. In einem korrekten Abschiedsbrief hätte er den Mitgliedern mitgeteilt, welcher Steuerexperte des Arbeitgebers sie künftig beraten werde. Stattdessen habe er sich für das "bisherige Vertrauen" bedankt und den Adressaten nahe gelegt, mit ihm weiterhin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Der Angestellte und sein neuer Arbeitgeber - mit dem die Abwerbeaktion abgesprochen war - schuldeten daher dem früheren Arbeitgeber Schadenersatz.