Strafgefangener bekommt in psychiatrischer Klinik Ausgang ...

... und ermordet zwei Frauen: Sind die Klinikärzte strafbar?

onlineurteile.de - Schon zu DDR-Zeiten verbrachte ein notorischer Straftäter sein Leben abwechselnd im Gefängnis und in psychiatrischen Anstalten. Mehrmals brach er aus oder kehrte von Freigängen nicht zurück; jedes Mal beging er weitere Verbrechen (Diebstähle, Körperverletzungen, versuchte Vergewaltigungen), bevor er wieder festgenommen wurde. 1997 wurde der psychisch gestörte Mann in die geschlossene psychiatrische Abteilung des Landeskrankenhauses Brandenburg eingewiesen. Hier versuchte man erfolglos eine weitere Psychotherapie. Zwei Mal entkam der Gefangene aus dem schlecht gesicherten Stationsgebäude - indem er marode Gitterstäbe vor den Fenstern auseinanderdrückte und sich an zusammengeknoteter Bettwäsche abseilte -, und wurde wieder gefasst.

Trotzdem ließen ihn im Herbst 1998 zwei verantwortliche Ärzte unbeaufsichtigt spazieren gehen. Der Mann kam nicht zurück und versteckte sich in Berlin, beging in den folgenden Monaten mehrere Raubüberfälle und ermordete zwei alte Frauen. Die Ärzte wurden wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und vom Landgericht Potsdam frei gesprochen. Begründung: Der Gefangene hätte die Morde auch nach einem Ausbruch begehen können. Dass er Ausgang bekommen habe, sei also nicht die Ursache für den gewaltsamen Tod der Frauen. Der Bundesgerichtshof wies diese Logik zurück und hob das Urteil des Landgerichts auf (5 StR 327/03).

Die "hypothetische Möglichkeit", dass ein Ausbruch zu denselben Folgen hätte führen können, ändere nichts an der Verantwortung der Mediziner, die dem offenkundig gewalttätigen Patienten Freigang gewährten. Die Vorinstanz müsse sich daher mit dem Fall nochmals befassen: Da alle Gutachter und behandelnden Ärzte zu dem Schluss gekommen seien, die narzisstische Persönlichkeitsstörung des Schwerkriminellen sei nicht therapierbar, hätte er niemals unbeaufsichtigten Ausgang bekommen dürfen. Bei dieser pflichtwidrigen Entscheidung hätten die Mediziner völlig außer Acht gelassen, wie gefährlich der Patient für die Allgemeinheit war.