Streit um Testament
onlineurteile.de - Ein kinderloses Ehepaar hatte sich 1962 in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Der Ehemann erlitt 1996 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Anschließend musste er im Pflegeheim untergebracht werden und erhielt einen Betreuer. Seine Ehefrau verfasste 1999 ein "Testament Nr. 2", nach dem ihr Großneffe das Einfamilienhaus erben sollte. Es wurde von beiden Eheleuten unterschrieben. Die Ehefrau starb 2000, der Ehemann 2003.
Der Großneffe beantragte einen Erbschein, doch die Geschwister des Verstorbenen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Erblasser sei 1999 schon dement und testierunfähig gewesen, trugen die Geschwister vor, daher sei das "Testament Nr. 2" unwirksam. Nach der gesetzlichen Erbfolge seien sie die Erben. Das Oberlandesgericht München gab ihnen Recht (31 Wx 16/07).
Der vom Gericht beauftragte medizinische Sachverständige habe die Akten des Betreuungsverfahrens studiert und Zeugen befragt (Hausärztin, Pfleger, Bekannte), so die Richter. Und der Facharzt sei zu dem Schluss gekommen, dass der Erblasser 1999 an einer "mittelschwer ausgeprägten Demenz" gelitten habe (Alzheimer). Er sei desorientiert gewesen, habe nie gewusst, wo er sich befand oder welche Jahreszeit herrschte.
Vergeblich argumentierte der Großneffe, der Großonkel habe sich bei Brettspielen immerhin noch die Farbe der Steine gemerkt, Bezugspersonen wie seine Frau erkannt und einfache Sachverhalte erfassen können. Das reiche nicht aus, um "testierfähig" zu sein, so die Richter. Es genüge auch nicht, wenn der Erblasser überhaupt noch eine Meinung artikulieren könne.
Wer ein Testament (unter)schreibe, müsse in der Lage sein, die Gründe für und gegen Verfügungen abzuwägen und sich aus eigener Überlegung heraus - frei von Einflüssen anderer Personen - ein klares Urteil zu bilden. Das setze voraus, dass sich der "Testierende" an Sachverhalte und Ereignisse erinnern, Informationen aufnehmen und Zusammenhänge erfassen könne. Angesichts der erheblichen kognitiven Defizite des Erblassers im Jahr 1999 sei es jedoch auszuschließen, dass er damals die für eine freie Willensbildung erforderliche Kritik- und Urteilsfähigkeit besaß.