Tageszeitung druckte private Briefe von Grass

Trotz großem öffentlichen Interesse geht das Urheberrecht vor

onlineurteile.de - Im Herbst 2006 hatte sich Nobelpreisträger Günter Grass dazu bekannt, als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Das sorgte in der deutschen Öffentlichkeit für Aufregung. Eine renommierte deutsche Tageszeitung publizierte seinerzeit als Beitrag zur Debatte zwei Briefe des Schriftstellers aus den Jahren 1969 und 1970. Sie waren an Karl Schiller, den damaligen Bundeswirtschafts- und Finanzminister, gerichtet. Grass hatte in diesen Briefen den politischen Freund kritisiert, weil er sich nicht zu seiner Funktion in der NS-Zeit bekannte.

Der Schriftsteller sah durch die Publikation sein Urheberrecht verletzt: Die bisher unveröffentlichten, persönlichen Briefe seien ohne seine Erlaubnis abgedruckt worden, beanstandete er, und klagte gegen den Zeitungsverlag auf Unterlassung. Das Kammergericht in Berlin gab ihm Recht (5 U 63/07).

Zwar seien die Briefe wegen ihres Inhalts von öffentlichem Interesse, so das Gericht. Das späte Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit habe die Position des Schriftstellers als moralische Autorität (gerade im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS-Zeit) ein wenig "angekratzt". Die Zeitung zitiere ihn quasi als Zeugen gegen sich selbst, was das Verhalten während der NS-Zeit betreffe.

Dennoch überwiege hier das Urheberrecht des Autors. Auch das Grundrecht der Pressefreiheit rechtfertige einen Eingriff in das Urheberrecht nur in Ausnahmefällen. Der Schriftsteller habe ein nachvollziehbares Interesse daran, dass seine Jahrzehnte alten Briefe an einen politischen Freund privat bleiben. Persönliche Briefe dürften nicht gegen den Willen des Autors vollständig veröffentlicht werden - zumal es darin auch um ganz andere Dinge als um die NS-Zeit gehe (um den damaligen Wahlkampf zum Beispiel).