Tödlicher Sturz in den Bergen
onlineurteile.de - Eine deutsche Urlauberfamilie unternahm an einem Septembertag im Tannheimer Tal in Österreich eine Bergwanderung. Nach der Mittagspause auf der Landsberger Hütte stieg sie in Richtung Traualpsee ab - auf einem schmalen, in Serpentinen angelegten Steig, der steiles felsiges Gelände durchquert. Der nordseitig gelegene Weg war feucht und rutschig. An den Felsen waren zur Sicherheit der Wanderer streckenweise Stahlketten angebracht.
Die Mutter führte ihre kleine (fast vierjährige) Tochter an der linken Hand, mit der rechten Hand hielt sich das Kind am Halteseil fest. Als der Weg schließlich so eng wurde, dass die beiden nicht mehr nebeneinander gehen konnten, ging die Mutter schräg hinter dem Kind her - am äußersten Rand des Weges, ohne sich selbst an der Stahlkette festzuhalten. Sie rutschte aus und stürzte den steilen Hang hinunter. Dabei traf sie einen anderen Wanderer, der weiter unten auf dem gleichen Steig unterwegs war.
Der Mann stürzte vor den Augen seiner Frau in die Tiefe und verletzte sich so schwer, dass mehrere Operationen nichts mehr halfen. Der Verunglückte starb nach 25 Tagen in der Klinik, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Seine Witwe verklagte die Wandrerin auf Schmerzensgeld: Eine Summe von 10.000 Euro hielt das Oberlandesgericht Stuttgart für angemessen (3 U 65/06).
Der Mutter sei nicht vorzuwerfen, dass sie ein so kleines Kind mitgenommen habe: Es sei nicht verboten, mit kleinen Kindern in den Bergen zu wandern. Der Weg werde in Wanderführern auch für unerfahrene Wanderer empfohlen und an schönen Tagen von mehreren hundert Bergfreunden begangen. Auch gebe es keine allgemeine Vorschrift, Halteseile zu benutzen. Angesichts der "brenzligen" Situation hätte die Frau das Sicherungsseil aber ergreifen müssen, um sich und andere nicht zu gefährden.
Das Gelände sei sehr steil (Gefälle von ca. 42 Grad) und der Steig schmal. Wenn die Wandrerin schon ein kleines Kind an der Hand halte und vor allem darauf achte, das Mädchen zu sichern; wenn sie zudem deshalb auf dem Weg außen an der Kante (anstatt innen, also bergseitig) laufe, sei es äußerst leichtsinnig, sich nicht festzuhalten. In dieser speziellen Situation müsse man von einem Wanderer erwarten, dass er sich vorsichtig verhalte und vorhandener Sicherungsmittel bediene. So hätte die Frau das Unglück vermeiden können.