Totschläger verlangt von Boulevardblatt Entschädigung

Die Berichterstattung über den Strafprozess war reißerisch, aber "im Kern wahr"

onlineurteile.de - Der Mann war angeklagt, weil er seine Cousine (ohne feststellbaren Grund) getötet hatte. Anschließend hatte er die Leiche an einem unbekannten Ort mit einem Teppichmesser zerlegt und Leichenteile im Ofen gebraten. Dieses bizarre Verbrechen war natürlich ein "gefundenes Fressen" für die Boulevardpresse. Mit der riesigen Überschrift "Der Kannibale von ..." und einem großen Foto des Täters gestaltete ein Boulevardblatt seine Titelseite. Der Täter verklagte den Verlag auf Entschädigung, weil die Publikation seine Persönlichkeitsrechte verletzt habe.

Das Oberlandesgericht Frankfurt räumte ein, dass die reißerische Tendenz des Artikels und das "anprangernde Foto" mehr das Sensationsbedürfnis der Öffentlichkeit befriedigte als das Informationsinteresse (11 U 10/06). Über den Verdacht auf Kannibalismus hätte man sachlich informieren müssen. Diese Art von Berichterstattung und Zurschaustellung beeinträchtige die berechtigten Interessen des Angeklagten, so die Richter. Aber nicht so gravierend, dass der Verlag ihm dafür Entschädigung schuldete.

Letztlich berichte der Artikel trotz seiner sensationslüsternen Aufmachung über Tatsachen und entspreche im Kern der Wahrheit. Im Text werde der Verlauf des Prozesses und des Revisionsverfahrens geschildert und erläutert, warum der Angeklagte wegen Schuldunfähigkeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wurde. Dabei bleibe der Artikel relativ nahe an den Ergebnissen der Strafverfahren.