Über Kunden des Arbeitgebers geschimpft
onlineurteile.de - Eine Frau beantragte Prozesskostenhilfe bei der Staatskasse, um sich gegen die Kündigung ihres Arbeitsvertrags wehren zu können. Sie plante allerdings keine Klage gegen den Arbeitgeber, sondern gegen den Freistaat Bayern. Denn das Gewerbeaufsichtsamt hatte es dem Arbeitgeber erlaubt, ihr fristlos zu kündigen, obwohl sie schwanger war.
Was war passiert? Die Frau, die als Sicherheitsmitarbeiterin für einen Geschäftspartner des Telekommunikationsanbieters O2 arbeitete, hatte sich auf ihrem facebook-Account negativ über O2 geäußert. Bei der Firma hatte sie einen Mobilfunkvertrag. Im Internet beklagte sie sich über eine grundlose Handysperrung, weil sie "angeblich nicht gezahlt habe": "Boah kotzen die mich an von O2 solche Penner".
O2 drängte den Arbeitgeber dazu, die werdende Mutter zu entlassen, die das "gemeinsame Projekt O2 telefonica" nach dieser Beleidigung nicht mehr repräsentieren könne. Da für schwangere Frauen besonderer Kündigungsschutz besteht, war für eine Kündigung die Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamts notwendig. Doch das "placet" der Beamten lag recht schnell vor.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof billigte der Frau Prozesskostenhilfe zu, weil er die beabsichtigte Klage für aussichtsreich hielt (12 C 12.264). Der Bescheid der Behörde sei sehr wahrscheinlich rechtswidrig. Nur ganz außergewöhnliche Umstände könnten es rechtfertigten, einer schwangeren Frau während des Mutterschutzes zu kündigen.
Da müsste die Angestellte so schwer gegen ihre Pflichten verstoßen haben, dass es dem Arbeitgeber schlechthin unzumutbar wäre, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Davon könne hier jedoch keine Rede sein. Die fraglichen Äußerungen der Frau fielen im Kontext einer (freilich rüden) Kritik an der Abwicklung ihres Handyvertrags. Es gebe also einen sachlichen Anlass für ihr Schimpfen.
Das Unternehmen O2 werde keineswegs in Bausch und Bogen diffamiert: Zumindest könne man die Äußerungen der Frau auch so interpretieren, dass sie nicht ehrenrührig seien. Eine Kritik werde nicht gleich zur reinen Schmähung, nur weil sie überspitzt formuliert sei. Auch der Begriff "Penner" stelle nicht unbedingt eine Beleidigung dar, gelte gemeinhin als Synonym für Trägheit oder Schläfrigkeit.
Hierzulande herrsche Meinungsfreiheit, also entscheide allein die Arbeitnehmerin, was sie "ankotze" und was nicht. Obendrein habe es sich um vertrauliche Kommunikation mit Internetfreunden gehandelt, in der sie ihrem Ärger Luft machte. Die Frau verliere ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit im privaten Bereich nicht dadurch, dass das kritisierte Unternehmen Kunde des Arbeitgebers sei.