Umziehen ist keine Arbeit
onlineurteile.de - Ein Lokomotivführer verlangte von seiner Arbeitgeberin — DB Regio AG, eine Tochter der Deutschen Bahn AG — Vergütung für die Zeit, die er täglich benötigt, um die Dienstkleidung an- und abzulegen. An seinem Spind zieht er sich beim Arbeitsbeginn um, schaltet das Diensthandy und andere elektronische Arbeitsmittel ein und prüft, ob sie funktionieren. Das dauert sieben Minuten, anschließend erhält er im Melderaum seinen Tagesdienstplan.
Für die Arbeitgeberin beginnt erst mit dem Eintreffen im Melderaum die zu vergütende Arbeitszeit. Das Lesen des Dienstplans berechnet die DB Regio AG mit drei Minuten. Den Weg zum Zug und zurück, nach dem Ende der Schicht, zählt sie ebenfalls zur Arbeitszeit — nicht aber die Minuten, die der Lokomotivführer an seinem Spind zubringt. Das fand er ungerecht: Alles, was er da tue, geschehe im Interesse der Arbeitgeberin.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern wies die Klage des Arbeitnehmers auf eine Vergütung von 3,84 Euro brutto für die Umkleidezeit ab (5 Sa 275/11). Weder aus dem Arbeitsrecht, noch aus dem gültigen Tarifvertrag sei ein Anspruch darauf abzuleiten.
Mit dem Ankleiden für den Dienst bereite der Lokomotivführer seine eigentliche Berufstätigkeit vor. Hier werde er in ganz anderer Weise tätig als während der eigentlichen Arbeitsleistung, der Zugfahrt. Nur wirklich "dienstspezifische Vorbereitungshandlungen" wie der Weg zum Zug würden bezahlt.
Laut Tarifvertrag beginne die Arbeitszeit am "vorgeschriebenen Arbeitsplatz". Was darunter zu verstehen sei, werde aber nicht näher ausgeführt. Der Umstand, dass Lokomotivführer Dienstkleidung tragen und technische Geräte bei sich tragen müssen, sei seit Jahrzehnten bekannt. Wenn der Tarifvertrag dennoch zur Frage, ob Umkleidezeit und Einschalten der Dienstgeräte zu vergüten seien, keine Regelung enthalte, hätten die Tarifvertragsparteien das wohl nicht regeln wollen.
Immerhin finde sich aber folgende Aussage zur "zu bezahlenden Arbeitszeit": Eine "angebrochene halbe Stunde (ist) in der Weise zu runden, dass 15 Minuten oder mehr als halbe Stunde zählen und weniger als 15 Minuten unberücksichtigt bleiben." Daraus könne man schließen, so das LAG, dass die hier strittige Zeit von 14 Minuten bedeutungslos sei.
Letztlich müssten die Tarifvertragsparteien die Streitfrage entscheiden. Das sei für den Lokomotivführer "im Moment vielleicht keine befriedigende Antwort". Sie sei aber zumindest ehrlich. Es wäre vermessen anzunehmen, Juristen könnte es gelingen, "Gerechtigkeitsprobleme an der Schwelle zur Unerheblichkeit" durch die kunstvolle Auslegung von 100 Jahre alten Gesetzen treffsicher zu lösen.