Uneinsichtiger Patient schadet sich selbst

Klinik haftet trotzdem, wenn sie ihn über das Risiko nicht richtig aufgeklärt hat

onlineurteile.de - Ein Patient wurde 1999 wegen eines Tumors der Hypophyse operiert (= Hirnanhangdrüse. Die Hormondrüse im Gehirn steuert andere Drüsen und Organe). Kaum aus der Klinik entlassen, kam er zurück, weil es ihm schlecht ging. Die Mediziner rieten zu einer Infusion. Das lehnte der Patient ab und ließ sich nach Hause bringen. Am nächsten Tag brachte ihn der Notarztwagen wieder in die Klinik: Auf der Intensivstation stellte man einen Schlaganfall fest. Ein Jahr lang war der Mann vollkommen arbeitsunfähig, danach nur eingeschränkt.

Er verklagte Ärzte und Klinik auf Schadenersatz: Sie hätten ihn über drohende Austrocknung und Hormonmangel informieren müssen. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage ab: Eine sofortige Infusion hätte dem Flüssigkeitsmangel vorgebeugt. Da der Patient sie verweigert habe, scheide ein Fehler der Klinik aus. Man könne Patienten ja nicht zur Behandlung zwingen.

Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden und hob das Urteil des OLG auf (VI ZR 157/08). Der Neurochirurg hätte den Patienten über das Risiko der Austrocknung und über die Notwendigkeit aufklären müssen, bei Anzeichen eines Flüssigkeits- oder Hormonmangels sofort die Klinik oder den Hausarzt aufzusuchen. Die unterlassene Aufklärung könne durchaus einen groben Behandlungsfehler darstellen.

Daran ändere auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Patienten nichts. Denn die sei nur dadurch zu erklären, dass ihm das Risiko nicht ausreichend vor Augen geführt wurde. Patienten, d.h. medizinischen Laien, könne man das Ignorieren ärztlicher Anweisungen nur dann als Mitverschulden ankreiden, wenn sie die Anweisungen oder Empfehlungen verstanden hätten. Das OLG müsse sich mit dem Fall nochmals befassen, um den Ursachenzusammenhang zwischen mangelnder Information und Gesundheitsschaden zu prüfen.