Unsicheres "Einscheibensicherheitsglas"
onlineurteile.de - Im Auftrag einer Immobiliengesellschaft heuerte der Bauunternehmer für ein Bauprojekt eine Spezialfirma an, die ein Stahl-Glas-Dach und eine Stahl-Glas-Fassade errichtete. Gemäß dem Leistungsverzeichnis der Auftraggeberin verwendete das Handwerksunternehmen Einscheibensicherheitsglas (ESG). Nach der Abnahme brachen einige Glasscheiben durch Nickelsulfid-Einschlüsse - die bei der Produktion unvermeidlich durch minimale Schmutzpartikel entstehen - "spontan", d.h. ohne Einwirkung von außen.
Die Immobiliengesellschaft beauftragte einen Sachverständigen, die Ursache herauszufinden, und verlangte anschließend vom Fassadenbauer Ersatz für die Gutachterkosten (850 Euro). Das Handwerksunternehmen lehnte dies ab: Seine Arbeit sei einwandfrei. Hier liege kein Mangel vor, weil Spontanbrüche in ESG-Glas nicht vollständig auszuschließen seien. Das sei "in Fachkreisen allgemein bekannt". Da die Auftraggeberin selbst verlangt habe, ESG-Glas einzubauen, habe sie damit auch das Restrisiko in Kauf genommen.
Diese Argumentation überzeugte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart nicht (4 U 23/07). Zutreffend sei, so das OLG, dass dem Material dieses geringe Restrisiko (im Promillebereich) anhafte. Dieser Nachteil sei nach gegenwärtigem Stand von Wissenschaft und Technik trotz aller Qualitätskontrollen und Tests nicht vermeidbar. Für die gebrochenen Scheiben sei zwar der Auftraggeber verantwortlich, wenn er so ein Material vorschreibe - aber nur in gewissen Grenzen. Ein Auftragnehmer mit speziellen Kenntnissen müsse Anordnungen des Bauherrn oder seines Generalunternehmers prüfen und diesen auf Risiken hinweisen.
Auf eigene Fachkunde der Auftraggeberin (bzw. des Generalunternehmers) habe sich der Fassadenbauer nicht verlassen dürfen. Was "in Fachkreisen" bekannt sei, wisse nicht zwangsläufig auch jeder Bauunternehmer. Über besondere Eigenschaften bestimmter Glasarten wüssten in der Regel nur Spezialisten Bescheid. Daher hätte das - auf Fassaden- und Dachverglasungen spezialisierte - Handwerksunternehmen im Zweifel Bedenken gegen das vorgeschriebene Material anmelden und die Auftraggeberin über die Bruchgefahr informieren müssen. Da er das versäumte, müsse der Fassadenbauer zwei Drittel der Kosten tragen.