Vorfahrt im Kreisverkehr

Amtsgericht bekämpft verbreiteten Irrtum: Wer "drin" ist, hat nicht automatisch Vorfahrt!

onlineurteile.de - Anlässlich eines Rechtsstreits zweier Autofahrer stellte das Münchner Amtsgericht einen weit verbreiteten Irrtum richtig: Wer sich im Verkehrskreisel befindet, hat nicht automatisch Vorfahrt vor den Einfahrenden. Das gilt nur, wenn an der Einmündung in den Kreisel die Verkehrsschilder "Kreisverkehr" und "Vorfahrt gewähren" stehen. Und selbst das Schild "Vorfahrt gewähren" allein verschafft den Fahrern, die "drin" sind, keine absolute Vorfahrt.

Das musste eine Hyundai-Besitzerin erfahren, die im Kreisverkehr am Münchner Karolinenplatz die Spur gewechselt hatte: Von der mittleren Spur (der Kreisel hat zwei Geradeausspuren und außen eine Rechtsabbiegerspur) hatte sie das Auto nach rechts auf die die Rechtsabbiegerspur gelenkt. Dort stieß sie mit einem VW zusammen, dessen Fahrer gerade in den Kreisel eingebogen war.

Von der Haftpflichtversicherung des VW-Fahrers forderte die Autofahrerin Reparaturkosten von 853 Euro für ihre beschädigte Stoßstange, 43 Euro für einen Tag Nutzungsausfall und 30 Euro Unkostenpauschale. Die Versicherung winkte ab: Sie habe zu knapp vor dem VW die Spur gewechselt. Den Unfall habe sie sich selbst zuzuschreiben. Doch die Frau zog siegesgewiss vor Gericht: Im Kreisverkehr habe sie schließlich Vorfahrt gehabt!

Zu ihrem Erstaunen erzielte sie beim Amtsgericht München nur einen Teilerfolg: Autofahrer im Kreisel hätten nicht automatisch Vorfahrt, korrigierte die Amtsrichterin (92 C 410/11). Das treffe gemäß Straßenverkehrsordnung nur zu, wenn an der Einmündung zum Kreisverkehr die Verkehrszeichen 215 (Kreisverkehr) und das Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angebracht seien. Ansonsten gelte hier "rechts vor links".

Wenn, wie am Karolinenplatz, allein das Zeichen 205 aufgestellt sei, führe dies nicht zur absoluten Vorfahrt der Fahrer im Kreisel: Das signalisiere den Einfahrenden nur, dass sie hier besonders aufpassen müssten. Aber auch bei einem Spurwechsel müssten Autofahrer prinzipiell große Sorgfalt an den Tag legen und dürften keinesfalls andere Verkehrsteilnehmer gefährden.

Daher treffe die Hyundai-Fahrerin ein Mitverschulden an dem Unfall. Ihren Anteil am Zustandekommen des Unfalls taxierte die Amtsrichterin auf ein Drittel, weil sie keine absolute Vorfahrt hatte. Die Haftpflichtversicherung des VW-Fahrers musste daher nur zwei Drittel des Schadens ersetzen.