Weisheitszahn gezogen - Nerv geschädigt
onlineurteile.de - In der Praxis des Zahnarztes empfing ihn ein Vertreter, denn der Zahnarzt war gerade in Urlaub. Der Vertreter hatte noch nicht viel Erfahrung, doch der Patient dachte nur: Hauptsache, der Schmerz hört auf. Der Weisheitszahn müsse raus, erklärte ihm der Zahnmediziner, da müsse man zuerst eine örtliche Betäubung vornehmen. Auf eine Röntgenaufnahme verzichtete der Arzt. Ob es nun bei der Leitungsanästhesie passierte oder direkt beim Ziehen des Weisheitszahns, war im nachhinein nicht mehr zu klären: Jedenfalls wurde bei dem Eingriff ein Nerv ("nervus lingualis") irreparabel geschädigt.
Vergeblich forderte der bedauernswerte Patient Schmerzensgeld: Das Oberlandesgericht Jena ließ sich von einem medizinischen Sachverständigen beraten und lehnte dann die Klage ab (4 U 416/05). Es stelle zwar einen Behandlungsfehler dar, so die Richter, vor der Extraktion keine Röntgenaufnahme vom Weisheitszahn und von dessen knöchernem Umfeld zu erstellen. Doch laut Sachverständigengutachten sei der "Nervus lingualis röntgenologisch nicht darstellbar", d.h. man erkenne auf dem Bild nur das knöcherne Umfeld, aber nicht die Lage des Nervs.
Der Zahnarzt könne also bei der Operation den Nerv treffen - ob mit oder ohne Röntgenbild. Zwischen fehlender Röntgenaufnahme und der Schädigung des Nervs bestehe daher kein Zusammenhang. So etwas komme nicht häufig vor, sei dennoch für diese Operation "typisch": Auch wenn der Zahnarzt vollkommen korrekt vorgehe, könne bei der Injektion des Betäubungsmittels oder beim Ziehen des Zahns der Nerv in Mitleidenschaft gezogen werden.