"Wer den Pflichtteil verlangt ..."

Sanktionsklausel in einem "Berliner Testament"

onlineurteile.de - Ein Ehepaar hatte sechs Kinder, die das kleine Barvermögen erben sollten - allerdings erst nach dem Tod beider Elternteile. Die Eheleute verfassten 1964 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig als Alleinerben einsetzten (Berliner Testament). Weiter hieß es: "Nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten erhalten unsere Kinder den Nachlass zu gleichen Teilen. Wer von unseren Kindern beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt, soll auch beim Tod des zuletzt versterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten."

Als 1970 der Ehemann als erster starb, forderten trotzdem zwei Kinder ihren Pflichtteil (je 9.500 DM). Später zahlten sie das Geld zurück, um den Ausschluss vom Erbe zu vermeiden. Ihre Mutter war damit einverstanden, die Geschwister aber nicht. Nach dem Tod der Mutter beantragte der älteste Bruder einen Erbschein, der das Erbe auf die vier anderen Geschwister aufteilte.

Das Bayerische Oberste Landesgericht gab ihm Recht (1Z BR 134/02). Wer so eine Klausel ins Testament aufnehme, wolle damit sicherstellen, dass dem überlebenden Ehegatten der Nachlass voll und ganz zur Verfügung stehe. 19.000 DM auf einmal auszuzahlen, sei der Mutter nicht leicht gefallen; genau diese Situation habe die Klausel verhindern sollen. Die in der Klausel festgelegte Sanktion könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, auch nicht durch die Rückzahlung des Pflichtteils: Verlange ein Erbe nach dem ersten Todesfall den Pflichtteil, sei er nach dem zweiten Todesfall kein Erbe mehr. Andernfalls würden die Geschwister benachteiligt, deren Erbquoten sich durch die Sanktion verbesserten. Außerdem wäre die Klausel sinnlos, könnte man den Entzug des Erbes wieder aufheben: Dann könnte jedes Kind nach dem ersten Todesfall den Pflichtteil fordern und danach frei spekulieren, wie es besser fahre - mit dem Erbteil oder mit zwei Pflichtteilen.