Wildschwein gejagt, Landwirt getroffen
onlineurteile.de - Zum Leidwesen der Bauern treibt sich im hohen Gestrüpp von Maisfeldern gerne eine gefräßige und ungehobelte Spezies herum: Wildschweine. Um das hungrige Wild zu vertreiben, verabredeten sich an einem goldenen Oktobertag sechs Jäger zur gemeinsamen Jagd.
Ihr Plan: Landwirt T sollte mit dem Häckselfahrzeug das Maisfeld abernten und so zugleich die Wildschweine aufschrecken und verscheuchen. Die am Rand des Feldes aufgestellten Jäger sollten dann die "Flüchtigen" abschießen. So weit, so gut. Allerdings vergaßen die Jäger, ihre Positionen und Schussrichtungen genau miteinander abzusprechen. Ein fataler Fehler, wie sich zeigte.
Landwirt T hatte schon ein gutes Stück Feld gemäht und wollte das Häckselgut loswerden. Er stoppte den vollen Traktor und stieg aus. Jäger A konnte nicht sehen, wo T anhielt. A stand an der Kante zwischen gemähtem und nicht gemähtem Feld und hielt angestrengt Ausschau nach "Beute". Alsbald rannte ein Wildschwein aus den hohen Halmen — gerade mal 100 Meter entfernt von ihm. Vom Jagdfieber gepackt, verfolgte A das Schwein mit seiner Büchse und wollte abdrücken.
Plötzlich machte das Tier kehrt und galoppierte wieder zurück in den lebensrettenden hohen Mais. A zielte und schoss, obwohl ihm die Halme die Sicht versperrten. Das Wild hatte Schwein und entkam, der Schuss traf den armen Landwirt T. Das Projektil blieb in seinem linken Knie stecken und musste im Krankenhaus operativ entfernt werden.
Behält ein Jäger, der kein freies Schussfeld hat und dennoch eine Kugel abfeuert, seine Lizenz zum Schießen? Das Verwaltungsgericht Minden verneinte diese Frage (8 K 1002/12). Jäger A, der vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung bereits zu Geldstrafe verurteilt worden war, verlor obendrein den Jagdschein.
Jäger dürften erst schießen, wenn sie niemanden gefährdeten, so das Gericht. Wer aber das Schussfeld nicht überblicke, könne sich dessen nicht sicher sein. Ohne ausreichende Sicht in Richtung Maisfeld zu schießen, wo sich der Traktorfahrer und zwei Jäger aufhielten, sei fahrlässig gewesen.
Dabei kenne ein erfahrener Jäger wie A die Sicherheitsvorschriften für Gesellschaftsjagden sehr gut. Offenbar habe er es in diesem Augenblick für so wichtig gehalten, das Wildschwein zu erwischen, dass er alle Vorschriften ausblendete und damit Menschen gefährdete. Wer Waffen so leichtfertig einsetze, sei als Jäger nicht zuverlässig genug.