Zur Abrechnung von Unfallschäden

Geschädigter verlangt fiktive Reparaturkosten und verkauft das Auto

onlineurteile.de - Nach einem Autounfall im März 2005 schätzte der vom Geschädigten G beauftragte Kfz-Sachverständige die Reparaturkosten auf brutto 9.619 Euro, den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 8.200 Euro und den Restwert auf 4.880 Euro. Der Aufwand für die Reparatur lag also über dem Wiederbeschaffungswert, aber noch innerhalb der Grenze von 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerts ("obere Grenze", das bedeutet: höhere Reparaturkosten muss die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers nicht übernehmen).

G reparierte seinen Wagen selbst; fachgerecht, wie er behauptete, und angeblich fest entschlossen, den Wagen zu behalten. Tatsächlich verkaufte er ihn im Juni, drei Monate nach dem Unfall, für 8.500 Euro. Mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers wollte G den Unfallschaden auf Basis fiktiver Reparaturkosten abrechnen (das bedeutet: er verlangte die geschätzten 9.619 Euro). Doch der Versicherer ließ sich darauf nicht ein, weil G das Auto verkauft hatte. Er rechnete auf Totalschadenbasis ab (= Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts). G klagte auf Zahlung von 9.619 Euro.

Doch das Oberlandesgericht Karlsruhe gab dem Versicherungsunternehmen Recht (10 U 149/06). Übersteige nach einem Unfall der geschätzte Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Autos (aber nicht die 130-Prozent-Grenze), müsse der Versicherer zwar grundsätzlich auf Basis fiktiver Reparaturkosten abrechnen. Damit werde dem Interesse der Autofahrer Rechnung getragen, denn die meisten wollten am liebsten ihr gewohntes Auto behalten (das nennt der Jurist "Integritätsinteresse").

Auch wenn der geschädigte Autobesitzer seinen Wagen selbst instandsetze, habe er Anspruch auf die fiktiven Reparaturkosten - vorausgesetzt, das Auto werde fachgerecht repariert und mindestens sechs Monate lang weiter benutzt. Wer sein Auto jedoch innerhalb dieser Zeitspanne verkaufe, gebe damit sein Integritätsinteresse auf und könne vom Versicherer nur noch den Wiederbeschaffungswert minus Restwert verlangen. (G hat gegen das Urteil Revision eingelegt.)